In der letzten Woche habe ich in einem Berliner Kindergarten eine Fortbildung zum Thema "Selbstfürsorge" gegeben. Der Tag sollte ein Verständnis darüber bringen, was Selbstfürsorge bedeutet und wie wir im Alltag selbstfürsorglicher mit uns umgehen können. Ein weites Thema. Mein Ansatz dabei ist folgender: Selbstfürsorge ist eine innere Haltung mir selbst gegenüber. Es geht um Selbstwahrnehmung/-achtsamkeit, Selbstakzeptanz und Selbstwertschätzung. Allein bei der Formulierung, dass Selbstfürsorge eine innere Haltung sei, könnte deutlich werden, dass es hierbei keinesfalls um Schnellschüsse in Krisensituationen gehen kann. Selbstfürsorge gelingt umso besser, desto klarer ich ein Ja zu dem was ist und wer ich bin geben kann. Und als Haltung ist sie eine wertorientierte und in allem mitschwingende Grundlage, die alltäglich und nicht ausschließlich situativ in schwierigen Zeiten ist. In der Fortbildung sollte es deshalb um eine, man könnte sagen, präventive Stressbewältigung gehen. Die Idee ist, sich in ruhigeren und "normalen" Zeiten gut um sich zu kümmern, damit in herausfordernden Zeiten das Fass nicht einfach nur überläuft oder umkippt. Doch leider wurde mir (nicht zum ersten Mal) klar, dass gerade im pädagogischen Bereich, die Betrachtung der eigenen Persönlichkeit als stärkstes Instrument unserer Arbeit und gerade deshalb so wichtig und wertvoll, nicht im Mittelpunkt des alltäglichen Lebens stehen soll. Die Pädagog:innen erwarteten Strategien und Handlungsweisen, wie sie in Krisenzeiten (Krankheitswellen, Urlaubszeit, Personalmangel, etc.) selbstfürsorglich agieren können. "Was kann ich machen, wenn ich mich überfordert fühle?" Auf diese Frage wollen Fachkräfte einen Handlungsplan. Niemand möchte in dieser Situation hören, dass ein insgesamt selbstfürsorglicher Umgang mit uns die alleinige Basis dafür geben kann, dass wir Krisen resilienter durchleben können. Und es ist nachvollziehbar, dass schnelle und einfach umsetzbare Lösungen beliebter sind. Die Nervensysteme der Fachkräfte sind permanent im Alarmzustand. Selbst dann, wenn ausreichend Personal da ist, leiden sie noch an Nachwirkungen, Erschöpfungszuständen und Befürchtungen vor der nächsten Krise. Zu hören: "schnelle Rezepte sind nicht die Lösung und sie sind nicht einmal gute Pflaster auf einem Bruch!" oder "Selbstfürsorge hat viel damit zu tun, sich, seine Gedanken, Gefühle und vor allem Grenzen rechtzeitig zu spüren und adäquat darauf zu reagieren.", das ist zu langwierig, zu anstrengend und manchmal auch zu schmerzhaft. Denn finde ich beispielsweise wieder in Kontakt mit meinem Körper, meinen Gedanken und meinem Gefühl, dann könnte da eine Tür aufgestoßen werden, die wir bisher so gut geschützt haben, indem wir nicht gespürt haben. Zurück zur Frage: "Was kann ich tun, wenn ich überfordert bin?", wünscht sich die Erlaubnis, dann auf sich zu hören, den Alltag zu entschlacken, sich zurückzunehmen und nur das nötigste zu tun. Diese Erlaubnis soll also von außen kommen.
Der nächste Dämpfer kam, als ich ein Manuskript zu diesem Thema bei einem Verlag eingereicht habe und als Rückmeldung zwar die Bestätigung einer großartigen Idee erhielt, der Verlag jedoch das Thema nicht mehr ins Programm nimmt, weil es keinen Absatz bei der Zielgruppe hat. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass das Thema "Selbstfürsorge" sich nicht verkauft, auch weil die Kund:innen scheinbar nicht bereit sind, Zeit außerhalb der Arbeit damit zu verbringen.
Es ist so schade, dabei zusehen zu müssen, dass in einem Beruf, in dem die eigene Persönlichkeit täglich massiven Einfluss auf das ganze Leben unzähliger Kinder hat, die kaum selbstfürsorgliche Vorbilder vorfinden und zusätzlich die Leidtragenden von überforderten Eltern und Fachkräften sind, kaum jemand gewillt ist an diesem wichtigen Medium zu arbeiten. Stattdessen werden Vorlagen, Muster und schnelle Rezepte favorisiert, die tot und oft sinnfrei sind. Es bleibt also beim Alten, dass wenig selbstfürsorgliche Erwachsene Kinder in ihrer Achtsamkeit, Bedürfnis- und Emotionsregulation begleiten, ihnen ein positives Selbstwertgefühl vermitteln wollen und sie als ganze resiliente Persönlichkeit fördern wollen, aber sich dabei weder als Vorbilder verstehen, noch Verantwortung für sich selbst übernehmen, in dem sie selbst all das in sich fördern und entwickeln, was sie den Kindern mitgeben wollen und sollen.
Ich wünsche mir, dass gerade in unserem Bereich in nicht mehr allzu ferner Zeit ein Umdenken eintritt, dass es nicht um das Reparieren vermeintlich unfertiger oder "kaputter" Kinderpersönlichkeiten geht, sondern um die Gesundung des Umfeldes und der begleitenden Erwachsenen dieser Kinder. Und dass die Angst, sich selbst ins Zentrum der Arbeitsbemühungen zu stellen und die Kinder dadurch wirklich in ihrer Entwicklung begleiten zu können, endlich gehen darf.