Sonntag, 23. Juli 2023

Wie entwickelt sich unsere Haltung?

Als ich Pädagogin wurde, habe ich eine große Verantwortung übernommen, der ich zu Beginn nicht gerecht wurde. Ich konnte ihr nicht gerecht werden, weil sie mir nicht klar war. Ich erkannte nicht, wie essenziell ich auf das Erleben und damit auf die späteren Deutungsmuster der Kinder einwirke, die ich begleitete. Ich erkannte nicht, wie sehr meine eigene Vergangenheit und mein Empfinden von "richtig" und "falsch" auf die Kinder übergehen würde. Ich glaube, ich habe gute pädagogische Arbeit geleistet. Und ich hatte auch damals, vor fast 20 Jahren, eine gute und ressourcenorientierte Haltung den Kindern gegenüber. Heute verstehe ich (meist immer noch sehr kognitiv), wie groß die Vorbildrolle ist, die wir als Pädagog*innen in den verschiedenen Bereichen einnehmen. Wir verbringen viel Zeit mit den Kindern, leben ihnen vor, wie man Freundschaften pflegt (oder nicht), wie man miteinander in Kontakt tritt, wie man Streitigkeiten klärt (oder nicht), was "gutes" Verhalten ist, wie die Welt funktioniert, wie man mit Stress umgeht und freundlich kommuniziert. Ich verstehe, dass auch alles Nicht-Handeln Einfluss hat, dass ich mich selbst auch ressourcenorientiert betrachten darf, um nicht nur darüber zu sprechen, sondern es den Kindern vorzuleben. Heute verstehe ich, wie Veränderungsprozesse funktionieren, verstehe den Sinn von Zurückhaltung und Beobachtung, der Wertschätzung und der Bildungs- und Lerntheorien im Sinne der Kinder. Ich verstehe, dass ich immer als ganze Person auf die ganze Person des Kindes treffe und dass jedes Verhalten von mir und dem Kind einen Sinn hat, auch wenn ich ihn nicht sofort erkenne. Ich verstehe, dass ich selbst viel vom Kind lernen kann und dass es meine Aufgabe ist herauszufinden, weshalb wir uns so verhalten, wie wir es tun. 

Du denkst dir jetzt, das sind doch alles so einfache Ideen, die jede/r in der Ausbildung lernt. Damit hast du Recht. Da ich aber täglich mit Menschen in der berufsbegleitenden Ausbildung zusammenarbeite, weiß ich nur zu gut, dass dies nicht automatisch in die Haltung der Menschen übergeht. Und dass es so viele verschiedene Arten des Widerstandes dagegen gibt, Pädagogik so zu leben. Dass nicht jeder gute Impuls im Denken umgehend in meine Handlungskompetenz übergeht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dieser Impuls ein Samenkorn ist, das gepflegt und gehegt werden muss, um durch regelmäßige Übung wachsen zu können. Selbstreflexion ist dafür mein wichtigstes Werkzeug. Also stelle ich dir heute die Fragen: Wie hat sich im Laufe der Zeit deine pädagogische Haltung entwickelt? Wo bist du gestartet? Wo stehst du heute? Und was hat dir bei dieser Entwicklung geholfen?







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Durch die Nervensystemsbrille (1)

In diesem Artikel starte ich eine neue Reihe auf diesem Blog. Es geht darum stinknormale Alltagssituationen aus Familien, Kitas oder Schulen...